Bei meiner Freundin, nennen wir sie hier einfach Eva, hängt ein Kleiderhaken an der Wand vor ihrer Wohnungstür. Er ist aus Messing, in kleinen Bögen geschwungen, mit einem weißen Knopf aus Keramik, an dem man etwas befestigen könnte. Dort hängt aber nichts. Nie. Jedes Mal, wenn ich zu Besuch komme, wundere ich mich über diesen ungenutzten hübschen Haken. Vergesse aber immer zu fragen, wenn sie die Tür aufmacht, weil es dann Wichtigeres zu sagen gibt. Letztes Mal, ich war schon im Gehen, mein Blick streifte wieder den Haken. „Sag mal, wozu ist der eigentlich da?“
Eva erzählt mir, dass dieser Haken einen symbolischen Wert hat. Dass er sie dazu auffordert, gelegentlich ein Zuviel an Angst dort aufzuhängen. So kann sie die Angst zurück lassen, wenn sie aus dem Haus geht. Oder entschlossen draußen vor der Tür, wenn sie nach Hause zurückkehrt. Weil Angst sich gerne irgendwo fest hakt. Weil Angst sich manchmal Themen oder Lebensbereiche sucht und nicht mehr locker lässt. Angewiesen auf einen Wirt, der sie beherbergt und den sie dann gnadenlos ausbeuten kann, wenn man sie lässt. Angst führt sich mitunter sehr machtvoll auf und bringt alles durcheinander – obwohl sie eigentlich ein armes Würstchen ist. „Ja, ein armes Würstchen“, betont Eva. „Eine Wichtigtuerin. Aber aufgeschmissen ohne mich.“ - „Und, klappt es?“ frage ich etwas skeptisch. „Meistens,“ sagt Eva. „Alles eine Frage der Übung.“ Mein Kopfkino ist angekurbelt. „Und wenn du wieder nach Hause kommst, hängt sie dann noch da?“ „Das Würstchen oder die Angst?“ Wir lachen beide. „Manchmal ja, dann sag ich ihr sogar hallo. Und manchmal ist sie auch einfach verschwunden, weiter gezogen, vielleicht verhungert, keine Ahnung. - Ich hab nur aufgehört, mich für sie verantwortlich zu fühlen. Sie kommt ganz gut alleine klar.“
(foto: cornelia sippel)
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